von Liam Bär; Foto von Playground AI

Der Wind peitschte und es regnete in Strömen. Blitze zuckten vor dem Höhleneingang über den pechschwarzen Himmel und ein Geröll aus Donner erschlug sich über mir. „Jetzt hat er mich doch im Stich gelassen“, dachte ich mir verzweifelt. Nach so vielen Jahren, in denen wir alles zusammen erlebt hatten, hatte er mich nun doch hier zurückgelassen. Während ich hoffnungslos versuchte, mich aus meiner misslichen Lage zu befreien, stürzte immer mehr Wasser in die Höhle hinein, in der wir zuvor Schutz gesucht hatten. Es lief mir die Zeit davon. Ich hatte nur noch wenige Minuten, bis das Wasser meinen Kopf erreichen würde.

Wenige Stunden zuvor hatte ich mich mit meinem besten Freund Lukas verabredet, um uns an unserem geheimen Baumhaus zu treffen, das in der Nähe des Waldes stand. Dort schmiedeten wir einen Plan für den heutigen Ferientag. Zuvor hatten wir auf dem bewaldeten Berg ein altes, nicht mehr benutztes Försterhaus entdeckt. Heute war der Tag gekommen, an dem wir es endlich erkunden wollten.

Als wir auf dem Pfad losliefen, schien die Sonne hoch am Himmel und es war keine einzige Wolke zu sehen. Neben uns ragten dunkle Tannen in die Höhe und unten gab es viel Gestrüpp, das uns an manchen Stellen sogar teilweise den Weg versperrte. Je weiter wir den Berg hochmarschierten, desto weniger war der Pfad befestigt und gepflegt. „Tom, meinst du, dass diese Holzbrücke hier sicher ist?“, fragte mich Lukas, als wir an einer Schlucht innehielten, die von einer schmalen und uralt aussehenden Holzbrücke überspannt wurde. „Ich gehe vor, dann kannst du nachkommen“, erwiderte ich und wagte den ersten Schritt. Die Holzbrücke hielt glücklicherweise stand. Nachdem wir sie überquert hatten, setzten wir unsere Wanderung fort, denn wir waren ein eingespieltes Team und konnten uns gegenseitig gut helfen. Gegen Mittag beschlossen wir eine Pause zu machen, da das ständige Wandern ziemlich ermüdend war. Wir setzten uns auf einen großen Stein und aßen unseren mitgenommenen Proviant. Erst jetzt fiel uns auf, dass sich der Himmel langsam zugezogen hatte und es nach Regen aussah.

Deshalb rasteten wir nur kurz und setzten unsere Wanderung bald fort, doch der Himmel verdunkelte sich immer bedrohlicher. „Komm, wir suchen uns einen Unterstand“, bat ich Lukas, da ich panische Angst vor Gewittern hatte. „Gewitter in den Bergen sind gefährlich, da will ich nicht hier herumlaufen!“, fügte ich hastig hinzu. Jetzt wurde Lukas wieder bewusst, dass ich unheimliche Angst vor Gewittern hatte, weshalb er mir antwortete: „Natürlich, lass uns einfach irgendwo unterstellen und abwarten.“

Bald darauf begann es auch schon heftig zu regnen. Zum Glück hatten wir mittlerweile in einer Senke bei einem Bach einen kleinen Höhleneingang gefunden, unter den wir uns gestellt hatten. Doch nachdem es nach einer halben Stunde nicht aufhörte in Strömen zu regnen und es ständig blitzte und donnerte, lief der Höhleneingang langsam mit Wasser voll. „Wir sollten tiefer in die Höhle gehen, damit wir sicher vor dem Unwetter sind!“, brüllte ich Lukas zu, da meine Stimme sonst vom Donnergrollen verschluckt worden wäre. Zusammen hasteten wir tiefer in die dunkle Höhle hinein. Das Wasser strömte uns nun vom Höhleneingang entgegen, wodurch wir bald durch das Wasser wateten. Wir waren zwar nun vor dem Gewitter sicher, aber das Wasser floss und floss unaufhörlich weiter, sodass Lukas langsam panisch wurde. „Tim, wir müssen wieder aus dieser Höhle raus“, schrie er mich an, „sonst versperrt uns das Wasser noch den Rückweg!“ „Nein!“, entgegnete ich lautstark, „dort draußen ist es viel zu gefährlich!“ Lukas wurde jetzt wütend: „Warum habe ich nur auf dich gehört! Wir werden in dieser Höhle ertrinken!“ „Blödsinn!“, entgegnete ich überzeugt. „Wir ertrinken hier nicht! Schau, dort hinten gibt es noch eine weitere Höhle, so hoch steigt das Wasser nicht!“, versuchte ich ihn zu beruhigen.

Mühselig watete ich durch das Wasser zu der größeren Höhle und rutschte vorsichtig hinab. „Komm mit!“, rief ich Lukas zu. Doch Lukas war nicht überzeugt und ließ sich nicht beruhigen: „Ich gehe! Du kannst allein hier ertrinken!“ Dies waren die letzten Worte, die ich von ihm hörte, bevor er durch den Höhleneingang verschwand. „Lukas!“, schrie ich ihm verzweifelt nach, „bleib bitte hier!“ Als ich versuchte, ihm zu folgen, konnte ich die glitschige Felswand, die ich eben erst hinabgerutscht war, nicht wieder emporklettern. Zu viel Wasser strömte mir von oben entgegen, wodurch sich die Höhle um mich herum langsam füllte. Schließlich bekam ich es wirklich mit der Angst zu tun.

Nun war ich hier: Gefangen in dieser Höhle, in die unaufhörlich Wasser floss, ohne jeglichen Ausweg und ohne meinen besten Freund, der mir hier heraushelfen konnte. Niemals hätte ich nach all den Jahren, die wir bereits seit dem Kindergarten befreundet waren, gedacht, dass er wirklich einfach verschwinden und mich hier im Stich lassen würde. Ich fühlte mich von Lukas betrogen und allein gelassen. Doch trotz aller Enttäuschung und Verzweiflung wollte ich es noch nicht ganz wahrhaben, dass dies gerade wirklich passiert war. Ich wusste, dass ich hier verloren war, jedoch hatte ein kleiner Teil meines Inneren die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben. Deshalb suchte ich im Dunklen nach weiteren Spalten im Felsen, nach einem weiteren Höhlenausgang. Ich suchte und suchte, während das Wasser um meine Hüfte immer höher stieg. Ich wollte es nicht hinnehmen, aber irgendwann musste ich aufgeben. Lukas hatte recht, ich würde hier wirklich ertrinken.

Als ich jedoch schon jegliche Hoffnung auf Rettung aufgegeben hatte, rief mir plötzlich eine Stimme lautstark zu: „Komm, ich hole dich hier raus!“ Das Wasser stand mir nun schon bis zum Kinn, als mir Lukas von oben seine Hand reichte. „Du bist doch mein bester Freund, dich könnte ich hier niemals zurücklassen!“, schrie er über das Tosen des Wassers hinweg. Ich streckte ihm meinen Arm entgegen und Lukas packte zu. Mit vereinten Kräften schafften wir es schließlich, dass ich die rutschige Steinwand erklomm und somit dem Wasser entkam. Hatte ich zuvor noch gedacht, dass mein Freund mich hier wirklich allein zurückgelassen hatte, so wusste ich jetzt, dass er dies niemals hätte tun können. „Danke, Lukas!“, stöhnte ich erleichtert und völlig außer Atem, während wir durch das kalte Wasser mühsam aus dem Höhleneingang wateten. „Naja, ich konnte dich doch nicht einfach hier zurücklassen. Das hätte ich niemals übers Herz gebracht“, entgegnete mir Lukas grinsend.

Inzwischen war das unheimliche Gewitter draußen weitergezogen und es fielen nur noch leichte Tropfen auf uns nieder. Jetzt hatten wir nur noch ein Problem: Es war dunkel geworden und wir konnten nicht völlig durchnässt und frierend auf dem Berg herumirren. Wir versuchten uns in der Dunkelheit zu orientieren und gemeinsam schafften wir es schlussendlich, den alten Pfad zu finden, der ins Tal führte. „Zusammen sind wir ein starkes Team und nach dem, was wir gerade erlebt haben, werden wir den Rückweg auch sicherlich ohne Probleme bewältigen“, stellte Lukas überzeugt fest. Wir machten uns zitternd in der Dunkelheit auf den Weg nach Hause, dorthin, wo wir jetzt am liebsten sein wollten. Der Rückweg schien uns tatsächlich das Einfachste an unserem ganzen Abenteuer zu sein und gemeinsam kamen wir schließlich in der Morgendämmerung zu Hause an.

Das spannende Abenteuer mit Lukas war zwar sehr gefährlich gewesen, doch es hatte unsere Freundschaft nur noch weiter gestärkt. Ich war stolz darauf, einen so großartigen Freund wie Lukas zu haben, auf den ich in jeder schwierigen Situation vertrauen konnte.

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