von Sina Thiel; Foto von Pixabay

Matt Haigs Roman „Die Mitternachtsbibliothek“ erzählt von den unendlichen Möglichkeiten des Lebens. Eine junge Frau namens Nora Seed, die ein eintöniges, gewöhnliches Leben führt, fühlt sich ungewollt und unerfüllt. Als ihre Verzweiflung eines Nachts ihren Höhepunkt erreicht, begeht sie Suizid. Aber damit ist die Geschichte noch nicht zu Ende.

Nora erhält die Chance, auf unterschiedliche Art und Weise zu erleben, wie ihr Leben hätte verlaufen können, wenn sie andere Entscheidungen getroffen hätte. Sie findet sich an einem Ort namens Mitternachtsbibliothek wieder. Dieser existiert zwischen Leben und Tod und ist mit Büchern gefüllt, in denen endlose parallele Leben, die sie hätte leben können, erzählt werden. Nora hat die Möglichkeit, ihr Bedauern ungeschehen zu machen, indem sie diese Leben ausprobiert und genau dort beginnt, wo ihr alternatives Ich in der Nacht, in der sie ihr Leben beendet hat, gewesen wäre. In der Mitternachtsbibliothek lebt Nora nun Hunderte von Leben und wird zu Hunderten von verschiedenen Versionen ihrer selbst – einige davon hätte sie sich nie vorstellen können, aber sie steht vor einer schwierigen Entscheidung. Denn sie muss herausfinden, was sie bereit ist zu opfern, um dauerhaft in einem dieser in den Büchern geschilderten idealen Leben zu leben. Auch wenn diese eine Zeit lang perfekt erscheinen, halten sie aber, wie Nora erkennt, in Wirklichkeit neue Herausforderungen bereit. Ihre Selbsterkenntnis ist fesselnd, während sie versucht zu erkennen, was in ihrem Leben wirklich wichtig ist.

Der Roman lässt sich sehr angenehm und flüssig lesen, zudem regt er zum Nachdenken an. Noras Gefühle sind tiefgründig dargestellt und die Tiefe von Matt Haigs Erzählweise erzeugt Spannung. Obwohl das Konzept einfach gehalten ist, hat es mich als Leserin in seinen Bann gezogen, weil es so viele verschiedene emotionale Erfahrungen, die das Leben mit sich bringt, umfasst. So verbrachte ich einen Großteil der „Mitternachtsbibliothek“ damit, über mein eigenes Leben und die Entscheidungen, die ich bisher getroffen habe, nachzudenken, aber auch in die Zukunft zu blicken und mir die unendlichen Möglichkeiten vorzustellen. Für mich macht dies einen talentierten Autor aus. Obwohl ich die Tiefe dieses Romans schätze, nimmt er manchmal einen sich wiederholenden, fast pedantischen Ton an, wenn eine wichtige Idee bereits klar gewesen ist, dennoch aber immer wieder ausgeführt wird. Das ist häufig der Fall, wenn es um Lektionen des Lebens geht. Es wird auch versucht, Noras Lebenssprünge zwischen den einzelnen Büchern durch Verweise auf die Quantenphysik wissenschaftlich möglich erscheinen zu lassen, was meiner Meinung nach nicht notwendig ist, da der Schwerpunkt auf Noras Leben und ihrer persönlichen Entwicklung liegt. Insgesamt hat mir „Die Mitternachtsbibliothek“ sehr gut gefallen, da die Entwicklung der Charaktere, der Schauplatz und die Handlung anschaulich dargestellt sind, wobei auch wichtige Themen, wie etwa die psychische Gesundheit, angesprochen werden.

Ich würde den Roman Jugendlichen und Erwachsenen gleichermaßen empfehlen. Es ist eine kurze, lohnenswerte Lektüre, die zum Nachdenken anregt und einen in Atem hält. Und vielleicht wird euch dadurch bewusst, wie viel ungenutztes Potenzial in euch steckt.

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