von Qanta Ahmad; Foto von Pixabay

„Ich hab früher, bis ich 14, 15 war, viel gelesen, und dann wie ich angefangen hab, viel draußen zu hängen mit meinen Freunden und dann sich viel nur noch um die Drogen handelte, hab ich kein Buch mehr angefasst. Das war dann durch die Leseauflage das erste Mal“, so berichtet ein 19-Jähriger aus dem Landkreis München, der seinen Namen nicht genannt wissen möchte. Der junge Mann wurde beim Fahren ohne Führerschein, beim Missbrauch von Drogen und ähnlichen Vergehen erwischt und nun statt zu Sozialstunden zur Leseweisung als Strafe verurteilt. Doch was ist eigentlich die Leseweisung?

Bei der Leseweisung erhalten Jugendliche ein geeignetes Buch, welches im Zusammenhang mit ihrer Tat oder familiären Situation steht, und müssen sich mit diesem auseinandersetzen. Dabei geht es nicht darum, dass die Täter nur ein Buch in die Hand gedrückt bekommen, sondern dieses unter der Betreuung eines Sozialarbeiters lesen und verstehen müssen. Sie müssen lernen, zwischen den Zeilen zu lesen. Viele mögen die Leseweisung als eine Belohnung für die Täter empfinden. Doch gibt es wirklich noch einen anderen Weg, um jemanden zwischen 8 und 20 Stunden dazu zu bringen, seine Tat zu bereuen? Und ist die Leseweisung tatsächlich eine Belohnung?

Ich finde, die Leseweisung ist eine sinnvolle Strafe, auch wenn es nicht alle so sehen mögen. Im Internet lassen sich viele Meinungen zur Leseweisung finden. So vertreten einige User die Auffassung, die Leseweisung sei besser als Sozialstunden, wohingegen andere dies mit ironischen oder sarkastischen Sprüchen kommentieren.

Zum einen halte ich die Leseweisung für sinnvoller als Sozialstunden, bei denen nur stumpf Müll aufgesammelt wird, da man sich durch ein Buch bildet. Zum anderen wird man dabei als Mensch mit Problemen angesehen, anstatt als Krimineller, der, einem Jugendlichen zufolge, nur wie „Dreck“ behandelt wird: „Das soll in Zukunft die Sozialstunden ablösen, denn bei Sozialstunden wird man wie Dreck behandelt, und hier fühlt man sich gut“. Ein weiterer betroffener Jugendlicher kann auch nur positiv von der Leseweisung berichten. Er erzählt, an der Leseweisung habe ihm gefallen, dass man ein bereicherndes Buch lese und man mit anderen darüber spreche und so eine Rückmeldung vom Betreuer bekomme.

Außerdem sitzt man auch nicht in Haft und bläst Trübsal, sondern nutzt die Zeit für etwas Sinnstiftendes. Ansonsten verbringt man die Zeit im Gefängnis, ohne das eigene Verhalten zu reflektieren und wird von seinen Mithäftlingen weiter negativ beeinflusst. So kann keine Resozialisierung stattfinden. Ein juristisch Interessierter aus dem Internet sieht die Leseweisung als einzige Maßnahme, in der man überhaupt innerhalb von 8 bis 20 Stunden zum besseren Menschen werde.

Viele Unbeteiligte mögen die Meinung vertreten, es sei keine Strafe, sondern die Sträflinge würden verhätschelt und umsorgt. Doch kann es schmerzhafter sein, innerlich mit Schuldgefühlen konfrontiert zu werden. Durch die Leseweisung setzt man sich mit dem Leben der fiktiven Charaktere auseinander, erfährt jeden einzelnen Gedanken und jedes Gefühl der Figuren, deren Probleme möglicherweise den eigenen gleichen – insbesondere Bücher mit einem Happy End können die Lösung für das eigene Problem bieten. Für diesen Fall halte ich das Buch „Im Bus ganz hinten“ vom Rapper Fler für besonders geeignet. Denn der Rapper selbst ist in prägenden Verhältnissen wie Armut, Arbeitslosigkeit und Kriminalität großgeworden. Aufgrund seines Durchbruchs als Rapper hat er bewiesen, dass man aus der Welt, in die man hineingeboren wurde, auch wieder herausfindet. Des Weiteren hat er den Menschen damit auch aufgezeigt, dass es bessere Lösungswege gibt, als zu stehlen, Drogen zu konsumieren oder ähnliche Verbrechen zu begehen, was vor allem in seinem Buch deutlich wird.

Diese positive Auffassung von der Leseweisung teilt auch Jugendgerichtshelfer Werner Messenzahl-Reichwald, der berichtet, „[…] dass von 70 Leseweisungen, die bei uns [in 2013] durchgeführt wurden, 60 erfolgreich durchgeführt werden konnten. Die restlichen zehn sind noch in der Laufzeit, das heißt der Erfolg liegt bei annährend 100%.“ Von diesen habe sich keiner negativ zur Maßnahme geäußert. Daraus lässt sich schließen, dass die Leseweisung durchaus sinnvoll ist und man das Leben eines straffälligen Jugendlichen tatsächlich nur durch ein einziges Buch verändern kann. Da Jugendliche meistens noch in ihrer Entwicklungsphase sind, brauchen sie vielleicht mehr Zeit als Erwachsene, um den Sinn hinter diesem Konzept zu verstehen. Doch diese Zeit lohnt sich, da jeder eine zweite Chance verdient hat und am Ende jeder davon profitieren kann.

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