von Marlon Kranz, Maria Radović; Foto von Stadt Offenbach/Thomas Lemnitzer
Guten Tag Herr Schwenke. Wir freuen uns sehr, dass wir heute mit Ihnen dieses Interview führen dürfen. Kommen wir zur ersten Frage. Herr Dr. Schwenke, Ihre Wiederwahl zum Offenbacher Oberbürgermeister erfreute viele Bürgerinnen und Bürger. Hatten Sie damit gerechnet und wie fühlen Sie sich seit Ihrer Wiederwahl?
Gehofft habe ich es natürlich, sonst wäre ich ja nicht angetreten. Man ist nicht nur Politiker in der Funktion, sondern selbst auch Mensch. Deswegen habe ich mich über das sehr klare Ergebnis natürlich gefreut.
Was fasziniert Sie am Beruf des Oberbürgermeisters, dass Sie sich nach Ihrer ersten Amtszeit sogar zur Wiederwahl gestellt haben?
Ich würde das gerne von zwei Seiten beantworten. Einerseits ist es so, dass viele von außen die Möglichkeiten eines Oberbürgermeisters tendenziell ein Stück weit überschätzen. Man ist kein König. Und das ist auch gut so. Ich bin zwar der Vorsitzende des Magistrats und nach außen der sichtbarste Repräsentant dieser Stadt und natürlich kann ich auch manche Dinge alleine entscheiden. Dennoch gibt es sehr viele Themen, die ich nur mit den Magistratskollegen zusammen entscheiden kann. Man muss wissen: Die hessische Gemeindeordnung ist extra so aufgebaut, dass die wichtigsten Fragen von der Stadtverordnetenversammlung entschieden werden. Es kommen öfter Leute zu mir und sagen: „Herr Schwenke, Sie müssen sofort dies und das …“. Meistens muss ich dann antworten, dass es mir leidtut und ich schauen kann, was möglich ist. Aber ich kann das nicht einfach alleine lösen. Das ist auch gut, weil die Idee dahinter ist, dass es eine demokratische wechselseitige Kontrolle gibt. Mir war klar, dass die Macht des Oberbürgermeisters Grenzen hat, weshalb es mich nicht stört. Es ist zwar anstrengend, doch am Ende ist es so, dass man für die Stadt und die Menschen etwas Gutes tut. Das fasziniert mich an dem Beruf und das hat mich auch dazu gebracht, mich zur Wiederwahl zu stellen.
Warum wollten Sie Ihr Amt genau in Offenbach ausüben?
Es hat für mich etwas mit Emotionen zu tun und ich könnte nicht in einer anderen Stadt Oberbürgermeister sein. Ich bin hier aufgewachsen, meine Familie ist hier, ich bin Kickers-Fan und hier zur Schule gegangen. Ich fühle mich mit allem ein Stück weit verbunden. Die Stadt ist mir nicht egal und wenn ich etwas Störendes sehe, will ich es ändern, damit es wieder schöner ist. Das ist mir für Offenbach wichtig!
War es schon immer ein Kindheitstraum von Ihnen, in die Politik zu gehen?
Ich konnte es mir vorstellen, jedoch war es nicht mein einziger Traum. Ich wollte auch Polizist werden oder vielleicht später einmal eine Eisdiele eröffnen. Schließlich bin ich Lehrer geworden. Während meiner Schulzeit dachte ich mir eher, dass ich einmal Bundestagsabgeordneter werde. Hier vor Ort sieht man aber viel besser, was man bewirkt.
Sie waren auch einmal Schüler an der Albert-Schweitzer-Schule und sogar Schulsprecher. Welche Erinnerungen haben Sie an Ihre Schulzeit und hat Sie diese Zeit in irgendeiner Form geprägt?
Die Zeit hat mich auf jeden Fall geprägt. Ich bin neun Jahre auf diese Schule gegangen und habe überwiegend gute Erinnerungen an die Schulzeit, weil ich mit den meisten Lehrerinnen und Lehrern Glück hatte und weil wir daran gewöhnt waren, dass die Schule alt war. Es gab aber natürlich auch schwierige Dinge: Es gab zu unserer Zeit zum Beispiel harte Auseinandersetzungen wegen der Arbeitszeit der Lehrerinnen und Lehrer in Hessen. Unsere Kursfahrt in der Oberstufe fiel dadurch aus. Das zeigt wieder einmal, wie wichtig eine Schülervertretung, also SV, ist, um für gewisse Dinge zu kämpfen. Eine weitere, eher humorvolle Erinnerung habe ich an die Gebäude und Räume auf dem Pausenhof, welche schon damals „Bruchbuden“ waren. Sogar meine Eltern hatten dort schon Unterricht. Später hat mich so etwas als Stadtverordneter dazu angetrieben, mich für Schulen und deren Sanierung einzusetzen. Heute stehen an dieser Stelle neue Gebäude. Außerdem erinnere ich mich noch an Volker Heim, der mich unterrichtet hat. Die Volker-Heim-Halle trägt verdient seinen Namen!
Was konnten Sie in Ihrer Zeit als Schulsprecher an der ASS verändern?
Diese Frage hat mir tatsächlich noch nie jemand gestellt. Dinge, die ich nicht in Ordnung fand, motivierten mich, etwas zu tun und deswegen wurde ich schon früh Klassensprecher und auch Schulsprecher. Zum Beispiel gab es zu meiner Zeit noch keine Mensa und keine Cafeteria, weshalb wir uns über unsere gesamte Schulzeit hinweg dafür einsetzten, endlich eine richtige Cafeteria zu bekommen.
Inwiefern haben Sie als Oberbürgermeister Einfluss auf Schulen und Bildung in der Stadt?
Auf die Lehrerinnen und Lehrer gar nicht und auch nicht auf die Unterrichtsinhalte oder auf die Anzahl der Lehrkräfte. Ich habe auch keinen Einfluss auf die Klassengrößen oder auf die Unterrichtsfächer generell. Dafür ist das Land Hessen zuständig. Worauf wir großen Einfluss haben ist der bauliche Zustand der Schulen. Wir haben in 2006 einen Plan zum Renovieren der Schulen erstellt und ziehen das bis heute durch. Das letzte Wort dabei hat die Stadtverordnetenversammlung. Ich setze mich aber als Oberbürgermeister sehr dafür ein, mache einen hohen symbolischen Druck auf das Thema. Wir haben letztes Jahr so viel Geld für Bildung ausgegeben wie noch nie in der Geschichte der Stadt zuvor. Außerdem haben wir seit dem Beschluss in 2006 fast jedes Jahr das meiste Geld an Baumaßnahmen für Schulen ausgegeben. Ich denke, mehr geht immer, aber wir tun das Beste und können auch nicht zaubern.
In Ihrer Arbeit erfahren Sie bestimmt auch viel Kritik, davon wird nicht jede konstruktiv sein. Wie gehen Sie damit um?
Solche Kritik bekommt man insbesondere im Internet, diese jemandem ins Gesicht zu sagen, trauen sich die Leute dann doch nicht. Ich versuche trotzdem herauszuhören, wo möglicherweise ein berechtigter Anteil ist, und ich versuche zu verstehen, worin konkret das Problem besteht. Es wird nämlich häufig sehr pauschal gemeckert und da kann ich nichts tun. Und wenn man Kritik nicht konkret formuliert, kann das keiner aufgreifen. Wenn ich verstehe, worum es geht, versuche ich es zu verändern, wenn ich es kann. Man ist aber auch als Politiker nicht nur in der Funktion, sondern auch Mensch. Und da muss man einen Weg finden, dass man das nicht so sehr an sich heranlässt. Es ist eine schwierige Balance, denn: Wenn man gegen Kritik abstumpft, hebt man irgendwann ab. Und das will ich auf gar keinen Fall! Ich will den Kontakt zu den Menschen behalten. Aber wenn man zulässt, dass einem pauschale Kritiker die Freude am Beruf verderben, dann geht man dabei kaputt.
Wie schalten Sie ab und woraus schöpfen Sie Kraft?
Ich habe großes Glück, dass ich eine tolle Frau und drei tolle Kinder habe. Wann immer ich sie sehe, hat es etwas mit Abschalten zu tun, weil die Kinder den Fokus auf sich ziehen. Die Familie ist das Wichtigste überhaupt. Wenn ich es dann einmal schaffe, ein Kickers-Spiel zu besuchen und sie gewinnen, ist das auch eine gute Ablenkung.
Inwiefern sind Sie mit der aktuellen Situation der Stadt zufrieden und was haben Sie sich für die Zukunft vorgenommen?
Insgesamt ist es ein großes Problem, dass die Stadt Offenbach nicht genug Geld für alles hat. Dafür habe ich auch ein gutes Beispiel, um zu zeigen, was „arme Stadt“ eigentlich heißt. Wenn man über die vergangenen Jahre schaut, dann gilt im Mittel in etwa: Wenn Kassel 1,- Euro Gewerbesteuereinnahmen hat, hat Offenbach ca. 65 Cent. Wenn Wiesbaden 1,- Euro Gewerbesteuereinnahmen hat, hat Offenbach ca. 55 Cent. Wenn Darmstadt 1,- Euro hat, hat Offenbach ca. 45 Cent. Und wenn Frankfurt 1,- Euro hat, hat Offenbach ca. 20 Cent. Wenn man sagt, dass man mehr Busse braucht, weil sie zu voll sind, kostet das sehr viel Geld. Ebenso wenn ich an die bauliche Situation der Schulen denke, kostet es auch sehr viel Geld. Geld ist sehr wichtig, weshalb ich mich auch sehr um das Thema Wirtschaftsförderung kümmere. Damit bin ich also unzufrieden. Mit dem Zustand der Innenstadt bin ich ebenfalls nicht sehr zufrieden. Wir wollen dabei noch viel verbessern. Eine Sache, die in den kommenden Jahre besser werden soll, ist die Stadtbibliothek, welche wir um das Vierfache vergrößern wollen. Somit würden wir wieder einmal viel Geld für Bildung ausgeben.
Herr Dr. Schwenke, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für uns und das Interview genommen haben! Wir wünschen Ihnen für Ihre zweite Amtszeit alles Gute.